Dienstag, 21. April 2009

Janus

"Wir waren jahrelang befreundet gewesen. Vielleicht nicht gerade befreundet, aber immerhin vertraut. Und wie hätte ich gedacht, daß er so in mein Leben hineinplatzen würde. Er im Gefängnis - das wollte mir nicht in den Kopf. Er hatte schon immer etwas Rätselhaftes an sich gehabt. Mein Vater pflegte zu sagen, er sei ein Zwielicht, und konnte ihn nicht leiden. Er traf damit in Schwarze: Janusch war tatsächlich eine dämmrige Gestalt. Mehr noch, ein Scharlatan, ein Spieler, ein kleiner Hochstapler, der sich durchs Leben pokerte, ein Schmarotzer, der sich von seinen Mitmenschen nährte. Das wußten alle, die ihn kannten, doch niemand hätte daraus den Schluß gezogen, daß er ein Spion war. Nur Polizisten konnten so einen Blödsinn erfinden. Janusch war alles, aber kein amerikanischer Agent. Agenten sind anpassungsfähig und flexibel, Janusch aber war stur. Spione spielen gleichzeitig auf verschiedenen Klavieren, doch er spielte auf einem einzigen und auch nur das, was auf dem Notenblatt stand. Spione spreche die Sprache ihrer Feinde, er beherrschte kaum die eigene." André Kaminski - Kiebitz