Samstag, 25. April 2009

Janus II

"Wir hatten uns in Zürich kennengelernt. Er nannte sich Doktor Zakrzewski, aber mein Vater wußte sofort, daß das weder ein Zakrzewski war noch ein Doktor. Wahrscheinlich war auch der Vorname falsch - obwohl er zu ihm paßte. Janusch. Das erinnerte an Janus, den doppelköpfigen Gott des Anfangs und des Endes, den Beschützer der Schwindler und Falschmünzer. Der Vorname Janusch gab mir zu denken, doch störte er mich nicht. Die Zweideutigkeit seines Pseudonyms beschäftigte meine Phantasie, und ich malte mir alle möglichen Abgründe hinter seiner Maske aus. Unsere Beziehung war von Anfang an problematisch. Wir waren uns in einem Kaffeehaus begegnet, und gleich hatte er mir vorgeschlagen, mit ihm Schach zu spielen, und zwar um Geld. Nicht eigentlich um Geld, sondern um ein Abendessen, das ich mir damals selbst nicht leisten konnte. Trotzdem setzte ich mich an seinen Tisch und hoffte, mit ein paar ausgefallenen Zügen seinen Respekt zu gewinnen. Angriffslustig wählte ich eine originelle Eröffnung, mit der ich ihn einschüchtern wollte. Ich erreichte nur das Gegenteil. Ein müdes Lächeln huschte über seine Lippen, und er konterte mit einem Rösselsprung, den jeder Anfänger für selbstmörderisch gehalten hätte. Entweder, dachte ich, war das ein Stümper oder ein Wichtigtuer. Doch bald zeigte sich, daß er weder das eine war noch das andere." Andre Kaminski - "Kiebitz"